BVerfG-Urteil: Macht die Polizei Aufnahmen von Euch, dürft ihr zurückfilmen.

Ein Klassiker bei jedem zweiten Fußballspiel oder jeder Demonstration : Die Polizei filmt Euch, fast immer ohne Grund. Kommt man dann selbst auf die Idee, die Beamten ihrerseits zu fotografieren oder zu filmen, wird man in der Regel aufgefordert, dies zu unterlassen, oft verbunden mit einer Strafandrohung oder der Aufnahme der eigenen Personalien.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Praxis der Polizei jetzt in Frage gestellt. Nach Auffassung des BVerfG ist die Polizei, wenn sie Filmaufnahmen von einer Versammlung anfertigt, nicht ohne Weiteres berechtigt, die Identität von Versammlungsteilnehmern festzustellen, die die Polizeikräfte ihrerseits filmen. Die Identitätsfeststellung sei nur bei konkreter Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut zulässig.

Die Karlsruher Richter sahen dabei durch die unzulässige Identitätsfeststellung vor allem das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Außerdem sei eine bloße Reaktion auf die von der Polizei gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen, etwa zur Beweissicherung mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten, durchaus legitim.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 1 BvR 2501/13) ist http://www.bundesverfassungsgericht.de/…/rk20150724_1bvr250… im Wortlaut nachlesbar.

Grundrechte, Meinungsfreiheit und die Sache mit der Verbandsautonomie

In der vergangenen Saison – ihr erinnert euch bestimmt – gab es auf dem Norddamm ein bisher nie dagewesenes Spektakel. Als Geister mit weißen Laken verkleidet protestierten Fans gegen das ein paar Tage vorher durch den SFV proklamierte Geisterspiel, das als Strafe gegen eine »Zaunbesteigung eines Fans angeordnet wurde. Neben der durchaus originellen »Geisterchoreo« wurden unzählige Spruchbänder und Schildergezeigt, die dem Unmut der Fanszene und der Kritik am Verband freien Lauf lassen sollten. Ein durchaus legitimes Anliegen, denkt der demokratie-geschulte und mit den Grundrechten vertraute Fußballfan. Zu Schaden kam dadurch niemand, weder wurde zur Gewalt, noch zum revolutionären Umsturz aufgerufen.
Postwendend, in Form von Spieltagsonderbericht, Spielbeobachter und knallhart gefälltem Urteil kam damals das Echo durch den Verband: Wegen »Grober Unsportlichkeit«, also dem Beleidigen der Institution Fußballverband und seiner Funktionäre sollten mehrere tausend Euro an Strafe bezahlt werden.

Der dahinter stehende Konflikt erschließt sich erst bei genauem Hinsehen. Sprüche wie »Scheiß SFV« oder »schizophren, fragwürdig, verkalkt« locken im »richtigen Leben« keinen müden Richter hinter dem Sessel hervor. Für die Gerichtsbarkeit des Verbandes sind sie jedoch ein gefundenes Fressen. Denn hier gilt das durch die »Verbandsautonomie« festgelegte Recht des Sächsischen Fußballverbandes. Grund- und Menschenrechte wie Meinungsfreiheit haben sich hier grundsätzlich unterzuordnen, selbst wenn sie legitime Anliegen vertreten. Kritik an der Institution selbst, vor allem seinen Protagonisten, ist unerwünscht.

Dass die »Rechts- und Verfahrensordnung« des Verbandes gegenüber Meinungsfreiheit und Standards des Grundgesetzes nicht obsiegen darf, dass Barbarei nicht über Unabhängigkeit und der Selbstbestimmung des Einzelnen stehen sollte, dafür wird sich in den nächsten Wochen und Monaten verstärkt Euer Rechtshilfekollektiv einsetzen. Um das miserable Demokratieverständnis der Verbandsfunktionäre etwas aufzufrischen, werden wir uns intensiv mit unseren AnwältInnen in das Thema »reinknien«. Einfach wird das nicht. Gelingen kann das nur, wenn ihr uns unterstützt: werdet Mitglied!