Pressemitteilungdes Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

Pressemitteilungdes Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

  • Derby 2017-Freisprüche für Chemiefans endgültig und rechtssicher durch OLG bestätigt
  • Absurdem Ermittlungseifer der Leipziger Staatsanwaltschaft wird durch höchste Instanz Riegel vorgeschoben
  • Kosten für unzählige Verhandlungen vor drei Instanzen trägt die Staatskasse

Das Oberlandgericht Dresden hat heute Vormittag in einer Revisionsverhandlung mehrere Urteile des Leipziger Landgerichts bestätigt, wonach Chemiefans, gegen die nach dem Derby 2017 in Probstheida ermittelt wurde, freizusprechen sind. Laut Anklage der Leipziger Staatsanwaltschaftwurde den Fans vorgeworfen, gegen das Vermummungsverbot (§§ 17,2 SächsVersG) verstoßen zu haben. Zum Hintergrund: im November 2017 wurde beim Leipziger Derby im Bruno-Plache-Stadion mehrmals Pyrotechnik im Gästeblock gezündet. Um sich vor der Rauchentwicklung zu schützen, hatten die Angeklagten für wenige Minuten mittels Schals ihren Mund und ihre Nase bedeckt. Für die ermittelnde Staatsanwaltschaft war dies Beweis genug, dass die Fans ihre Identität verbergen wollten und stellte daraufhin Strafanträge.

Das OLG hat nun heute die Freisprüche, die bereits das Leipziger Landgericht geurteilt hatte bestätigt. Die Revision der Staatsanwaltschaft wurde als unbegründet abgewiesen: „Es seien keine Rechtsfehler erkennbar und der Tatbestand der Vermummung werdenicht erfüllt“, so das Gericht. Hintergrund ist vor allem die juristische Lesart des § 17 des Versammlungsgesetzes. Danach ist nur dann von einer Vermummung auszugehen, wenn die Vermummung „darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern“. Dies war inden angezeigten Fällen offensichtlichen nicht der Fall –vielmehr diente das kurzeitige Hochziehen des Schals dem Schutz der Gesundheit. Miriam Feldmann, Sprecherin des RHK dazu: „Wir freuen uns sehr über den Ausgang der Verhandlung. Das Landgericht und das Oberlandgericht haben juristisch sauber argumentiert, warum die Fans von den Tatvorwürfen freizusprechen sind. Problematisch erscheint uns nach wie vor das Vorgehen der Leipziger Polizei und Staatsanwaltschaft. Beide Institutionen wollten auf Teufel komm raus, dass Verurteilungen stattfinden. Entlastende Momente wurden während des Verfahren unter den Tisch gekehrt. Wir prüfen derzeit mit unseren RechtsanwältInnen, ob möglicherweise Rechtsbeugung vorliegt.“

Mit der Ablehnung der Revision endet eine jahrelange und mehr-instanzliche Odyssee der beschuldigten Fans. Die Verfahrenskosten, die in die Zehntausende gehen dürften, trägt die Staatskasse.

Für Rückfragen zum Verfahren stehen wir gerne zur Verfügung: Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de oder telefonisch: 01573-2927517 (Miriam Feldmann)

Das Rechtshilfekollektiv / RHK ist die Fanhilfe der Fanszene von Chemie Leipzig.

Wir sind Teil einer übergreifenden Solidargemeinschaft zur Unterstützung von Fans der BSG, die aufgrund von Ereignissen rund um die Spiele unseres Vereins Probleme mit der Polizei oder Justiz bekommen haben.

Weitere Infos zum Verfahren findet Sie u.a. hier:

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=4868&dok_art=Drs&leg_per=7&pos_dok=1&dok_id=undefined

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12715&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1&dok_id=undefined

https://www.sportbuzzer.de/artikel/ermittlungseifer-zum-leipziger-derby-vor-drei-jahren-halt-unvermPressemittelung_RHK_OLG_Urteil20210115_neuindert-an/

Hier ist die aktuelle Pressemitteilung nochmal als PDF ansehbar: Pressemittelung_RHK_OLG_Urteil202101115

Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig« zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen zwei Polizeibeamte

Fehlerkultur Fehlanzeige: Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder stellt im Fürstenwalde-Verfahren die Ermittlungen gegen zwei Beamte der Bereitschaftspolizei ein

Die vorliegenden Beweise und Zeugenaussagen werden durch LKA und die Staatsanwaltschaft scheinbar bewusst nicht gewürdigt

Rechtshilfekollektiv und Fans fordern Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen die beteiligten Polizisten durch die Staatsanwaltschaft

 

Am 16. Februar 2020 kam es in der Fürstenwalder »Bonava-Arena« im Vorfeld eines Auswärtsspiels der BSG Chemie Leipzig zu einer schweren Verletzung eines jungen Chemiefans. Zwei Beamte der eingesetzten Bereitschaftspolizei rissen den Fan ohne wahrnehmbare Ankündigung und Abwägung alternativer Mittel dermaßen rabiat vom Zaun, dass er massive Verletzungen – u.a. einen 20 cm langen offenen Riss am Oberschenkel – davontrug. Nur durch die schnelle Notversorgung einer Leipziger Krankenschwester aus der Fanszene konnte die dramatische Situation zumindest halbwegs bewältig werden. Der Chemiefan befand sich im Nachgang insgesamt vier Wochen in Bad Saarow und in der Universitätsklinik Leipzig in stationärer Behandlung und musste mehrmals operiert werden. Die Ereignisse vom Februar waren Thema landesweiter medialer Berichterstattung und beschäftigten u.a. auch den brandenburgischen Landtag.

 

Diese Woche haben wir nun erfahren, dass die zuständige Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt gegen die beiden eingesetzten Polizisten sang- und klanglos eingestellt hat. Angeblich fehle die »konkrete nachweisbare Körperverletzungshandlung«. Außerdem lasse sich »die Art und Weise der Bewegungen«, die zur Verletzung führten »nicht weiter klassifizieren und ist mit den vorhandenen Beweismitteln auch nicht aufklärbar«. Letztlich sei ein »strafbares Verhalten nicht zu erkennen«, so der bearbeitende Staatsanwalt weiter.

 

In der Regel ist bei Verfahren gegen Fußballfans den Staatsanwaltschaften jedes ermittlungstaktische Mittel Recht, um Anklage erheben zu können. Gerichtsverfahren werden selbst bei Bagatelldelikten und Ordnungswidrigkeiten durch die Instanzen geprügelt. »Die Ermittlungen gegen die beiden Beamten durch das brandenburgische LKA wurden – um es nett zu formulieren – mit einer gewissen Oberflächlichkeit geführt«, so Miriam Feldmann, die Sprecherin der Leipziger Fanhilfe. »Vom Ermittlungseifer, den Staatsanwaltschaft und Polizei ansonsten bei vermeintlichen Fanvergehen an den Tag legen, war dieses Mal keine Spur. Mehrere ZeugInnen wurden nicht gehört, die Videoaufnahmen nicht umfänglich ausgewertet, die Argumente der Anwälte der Polizisten wurden nahezu wortwörtlich im Einstellungsbescheid durch den Staatsanwalt repetiert«.

Dass die Staatsanwaltschaft wider besserer Kenntnis die qualitativ hochwertigen Videoaufnahmen zum Vorfall ignoriert, und sogar »eine Opfer-Täter-Umkehr vornimmt, indem sie in der Verfügung einen helfenden Fan eine mögliche Mitschuld attestiert, ist für uns völlig unverständlich«, so Miriam Feldmann weiter.

 

Als Fanhilfe, die den  Aufarbeitungsprozess rund um Vorfälle in der »Bonava-Arena« vor allem auf der Seite des geschädigten Fans begleitet hat, sind wir über die Einstellung der Staatsanwaltschaft entsetzt. Gerade Polizeibeamte müssen sich und ihr Agieren und Tun an strengen rechtlichen Maßstäben messen lassen. Die öffentlichen Debatten um »Cop-Culture« und Polizeigewalt sollten eigentlich zu einem Umdenken in der Institution geführt haben. Leider reiht sich nun der Vorfall in eine Verdrängungskultur der brandenburgischen Polizei ein, deren Niveau eine ganz neue Ebene erreicht hat.

 

Das Rechtshilfekollektiv BSG Chemie Leipzig und die Fanszene des Vereins fordern daher nicht nur die sofortige Wiederaufnahme der Ermittlungen durch die zuständige Staatsanwaltschaft, sondern vor allem eine breite gesellschaftliche Debatte über eine auf Abwehrreflexe eingeübte Polizeikultur – egal ob in Brandenburg, in Sachsen oder anderswo.

 

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Miriam Feldmann (Pressesprecherin)

Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Telefonisch: 01573-2927517 (ab Montag)

 

2. Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.« anlässlich der Berichterstattung der brandenburgischen Polizei zu den Ereignissen in Fürstenwalde

Anlässlich der Veröffentlichungen der Pressestelle der brandenburgischen Polizei sowie mehrerer Beiträge des bundesweiten Online-Magazins »Vice«, der »Leipziger Volkszeitung« und der »Märkischen Oderzeitung (MOZ)« möchten wir mit dieser Presseinformation noch einmal auf die fehlerhafte und relativierende Berichterstattung der Polizeibehörden hinweisen.

Miriam Feldmann, die Pressesprecherin zum aktuellen Stand: »Der verletzte Fan liegt leider immer noch im Krankenhaus. Er hat über seinen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung gestellt. Außerdem wurde die Polizei in Fürstenwalde und deren Pressesprecher dazu aufgefordert, im Rahmen einer öffentlichen Stellungnahme ihre belegbar falschen Aussagen zu widerrufen.« Zwar wurden Teile dieser Aussagen mit dem Hinweis auf »interne Kommunikationsfehler« mittlerweile zurückgenommen, passiert ist dies aber offensichtlich nur aufgrund des öffentlichen und juristischen Drucks.

Mittlerweile sind hochauflösende Fotos und Videos (u.a. https://www.youtube.com/watch?v=AvKT4IGAYXU&feature=youtu.be&app=desktop) im Netz aufgetaucht, die die Berichterstattung der brandenburgischen Polizei ad absurdum führen. »Weder wurde der auf dem Zaun befindliche Fan mehrfach von den Beamten angesprochen, noch wurde er – wie es in der MOZ hieß – von den Beamten vom Zaun gehoben«, so Miriam Feldmann weiter. Deutlich ist zu erkennen, dass ausschließlich der Aktionismus der Beamten zu der schweren Verletzung führte. Der auf dem Zaun befindliche Fan hatte keine Chance aus der Situation zu kommen, ursprünglich in den Raum gestellte Widerstandhandlungen finden offensichtlich auch nicht statt.     Mitnichten hat die anwesende Bereitschaftspolizei die sofortige Erstversorgung geleistet. Sie stellte zwar nach mehrmaliger Aufforderung Verbandsmaterial zur Verfügung – das Anlegen der Druckverbände erfolgte allerdings durch einen Chemiefan mit medizinischer Ausbildung.

Im brandenburgischen Landtag sind die Ereignisse nun auch Thema: Der LINKEN-Abgeordnete Andreas Büttner (MdL) hat das Verhalten der Polizei in einer Kleinen Anfrage behandelt. Das brandenburgische Innenministerium muss sich nun dazu verhalten.

Als Fanhilfe kritisieren wir nicht nur das Verhalten der Beamten am Spieltag selbst. Uns geht es auch darum, wie sich Polizeibehörden als öffentlicher und politischer Akteur gerieren. Das aktuelle Zurückrudern der Pressesprecher der Polizei ist halbherzig, Fehler werden nur scheibchenweise zugestanden. Miriam Feldmann dazu: »Die Strategien der Verschleierung und Vertuschung und die damit verbundenen Kompetenzüberschreitungen in der polizeilichen Pressearbeit zeugen von einem durchaus miserablen Rechtstaatsverständnis.«

Für Rückfragen von Medienvertretern stehen wir gerne zur Verfügung.

Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Telefonisch: 01573-2927517

Quellen:

Pressemitteilung des »Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.« zum Polizeieinsatz und zu einem schwer verletzten Fan am 16. Februar 2020 in Fürstenwalde

Bei dem am Sonntag bei Union Fürstenwalde stattgefundenen Regionalliga-Gastspiel der BSG Chemie Leipzig kam es im Vorfeld des Spiels zu einem unkoordinierten und stark überzogenen Polizeieinsatz der brandenburgischen Bereitschaftspolizei, in dessen Zuge einjunger Fan der BSG Chemie schwer verletzt wurde. Nur dank des schnellen Agierens notärztlich versierter Fans konnte die extrem brenzlige Situation halbwegs gemeistert werden. Aktuell befindet sich der Verletzte vor Ort im Krankenhaus, er wurde bereits operiert. Wir wünschen natürlich alles Gute!

Der mutmaßliche Hintergrund des Einsatzes war ein wetterbedingter Blockwechsel von einigen Chemiefans, die unter der örtlichen Tribüne der »Bonava-Arena« Schutz vor Regen suchten. Die anwesende Polizei unterband den angestrebten Wechsel durch ihr Agieren und verletzte einen Fan dabei so schwer, dass dieser noch am selben Tag im Krankenhaus operiert werden musste. Der Fan, der auf einem Zaun saß, wurde ohne vorherige Ansprache und ohne einsatztaktische Not urplötzlich durch mehrere Beamte brutal heruntergezogen. Die auf dem Zaun befindlichen Zacken bohrten sich dabei in den Oberschenkel des Fans und schlitzten diesen großflächig regelrecht auf. Der durch die Schwere der Verletzung benommene Fan wurde unterhalb des Zaunes liegengelassen. Ein, wie üblich vom Heimverein bestellter Sanitäter war nicht vor Ort: in erster Linie kümmerten sich mitgereiste Chemiefans um die Erstversorgung und das Anlegen von mehreren Druckverbänden. Erst nach etwa 20 Minuten traf endlich ein Rettungsdienst ein, der den Verletzten ins Krankenhaus brachte.

Wir kritisieren nicht nur die Einsatztaktik und das grobe Fehlverhalten einzelner Beamter. Auch die nachträgliche offizielle Berichterstattung ist für den verletzten Fan, seine Freunde und Angehörigen nur schwer nachvollziehbar. Der dort geäußerte Zynismus – der Presseverantwortliche der örtlichen Polizei spricht von einem »wenig sportlichen Fan, der am Zaun hängengeblieben sei« – ist angesichts der Schwere der Verletzung und ihrer Herbeiführung kaum zu übertreffen. Miriam Feldmann, die Pressesprecherin des Rechtshilfekollektivs kritisiert im Zuge dessen, »dass sich Polizeibeamte und vor allem deren Kommunikationsmitarbeiter zum wiederholten Male nicht an objektive Fakten halten, sondern stattdessen aktiv, beeinflussend oder relativierend in öffentliche Wahrnehmungen und Bewertungen eingreifen und somit eine bestimmte ‚polizeiliche Wirklichkeit‘ kreieren«.

Zusammen mit dem verletzten Fan, der Fanszene und dem Verein prüfen wir derzeit rechtliche Schritte gegen die anwesenden Polizisten. »Wir gehen zum aktuellen Zeitpunkt davon aus, dass mehrere Straftatbestände durch die Beamten erfüllt werden«, so Miriam Feldmann weiter. Fans, die die Umstände der Verletzung fotografiert oder gefilmt haben, bitten wir um Mithilfe.

Für Rückfragen von Medienvertretern stehen wir gerne zur Verfügung.

Via Mail: kontakt@rechtshilfe-chemie.de

Telefonisch: 01573-2927517

Die Freiheit im und außerhalb des Stadions verteidigen!

Die Freiheit im und außerhalb des Stadions verteidigen!

Aufruf zur Demo gegen das neue Sächsische Polizeiaufgabengesetz am 26. Januar 2019 in Dresden und gemeinsame Anreise mit dem Zug.

+++Treffpunkt ist 10:45 Uhr am Gleiss 21 auf dem Leipziger Hauptbahnhof+++

Zum Fußball zu gehen ist toll: im Stadion stehen, Bier trinken und Wurst essen. Noch schöner ist es, wenn man solch ein Erlebnis mit Freundinnen und Freunden teilen kann, gemeinsam zu Heim- oder Auswärtsspielen fährt, zusammen groß angelegte Aktionen im Block und außerhalb der Stadien umsetzt und mit Herz und Seele einem Verein einen Teil seines Lebens widmet. Wäre da nur nicht diese eine Sache, die dieses Leben unnötig verkompliziert: die Polizei.
Das es regelmäßig zu maßlos überzogenen, rechtlich fragwürdigen und vollkommen unverhältnismäßigen Polizeieinsätzen im Umfeld von Fußballspielen kommt, ist sicherlich nichts Neues. Dass mit dem neuen PAG genau diese Unverhältnismäßigkeit im Gesetz legitimiert wird und dabei die zugrunde liegenden Grund- und Bürgerrechte des Einzelnen massiv eingeschränkt und zum Teil außer Kraft gesetzt werden, sollte zu Denken geben. Der (Recht)Staat verselbstständigt sich zusehends.

„Vor die Lage zu kommen“ heißt das im Polizei-Jargon: Vorfeldkriminialisierung, Ausweitung des Gefahrenbegriffs, Ansammlung aller möglichen Daten und präventive Ausweitung von weitreichenden Ermittlungsmethoden – das sind die Schlagworte rund ums neue PAG.
Der Begriff des „Gefährders“ zum Beispiel ermöglicht den Behörden in Zukunft, jede_n Besucher_In eines Fußballspiels unter Generalverdacht zu stellen. Die bloße Vermutung, eine Straftat könnte begangen werden, reicht aus, um in den Fokus der Ermittlungen zu geraten.
Hinzu kommt die Legitimierung der Überwachung von Berufsgeheimsnisträgern, flächendeckende Videoüberwachung und Gesichtserkennung, Alkoholverbotszonen, das Einrichten von Kontrollbereichen zur Abwehr von Straftaten und eine militärische Aufrüstung der Polizei z.B. mit Handgranaten. Die Ordnungsämter werden als „Polizeibehörden“ mit weitreichenden und zum Teil polizeilichen Equipment und Kompetenzen ausgestattet. Zur Verhütung von Straftaten dürfen künftig ebenso Aufenthaltsgebote und Hausarreste durchgesetzt und mit Hilfe elektronischer Fußfesseln kontrolliert werden. Die nahezu komplette Überwachung wäre perfekt. Dass das Polizeirecht in Sachsen auch weiterhin keine Notwendigkeit sieht, Polizisten zu kennzeichnen, verwundert dabei keineswegs.

Aus diesem Grund, rufen wir alle dazu auf, sich an den Protesten am 26. Januar 2019 in Dresden gegen das Sächsische PAG zu beteiligen. Es wird eine gemeinsame Zuganreise vom Leipziger Hauptbahnhof in die Landeshauptstadt geben. Treffpunkt ist 10:45 am Gleis 21.

Das sächsische Polizeiaufgabengesetz richtet sich gegen uns alle: vollkommen egal ob Ultra´, Hool, Fan, Supporter, Hopper, Bierliebhaber, oder die Leute, die einfach nur Bock auf Bratwurst, Bier und Fußball haben. Also auch gegen dich – du bist der Gefährder!

Wir werden nach Dresden fahren, um gemeinsam mit vielen anderen Menschen aus einem breiten Bündnis gegen das PAG zu demonstrieren. Aus diesem Grund bitten wir euch, eure Chemie-Klamotten an diesem Tag zu Hause zu lassen. Es geht schlicht um etwas Größeres.

Lasst uns der Landesregierung zeigen, dass wir mit der Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes nicht einverstanden sind und dies nicht ohne Weiteres hinnehmen werden. Wir werden die autoritären sächsischen Verhältnisse nicht akzeptieren!

Nein zur Novellierung des PAG!

Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

 

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Wirklich? Schon wieder! Verfahren wegen Bildung einer Kriminellen Vereinigung eingestellt.

Pressemitteilung des Rechtshilfekollektivs Chemie Leipzig:

Fast drei Jahre hat die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden gegen mindestens 20 vermeintliche Ultras von Chemie Leipzig nach §129 der StPO ermittelt, doch herausgekommen ist – mal wieder – nichts. Das Verfahren, das im August 2015 losgetreten wurde, ist nun mit Schreiben an die vermeintlichen Beschuldigten am 20. Juni 2018 eingestellt worden. Lapidar heißt es im Einstellungsbrief aus Dresden »das Ermittlungsverfahren gegen Sie wegen der Bildung Krimineller Vereinigungen (…) wird gemäß §170 Abs. 2 eingestellt«. Weitere Informationen zur Dimension des Verfahrens blieben aus. Zeitgleich erhielten hunderte Dritte – darunter Freunde, Bekannte, Verwandte und Arbeitgeber sowie Kollegen, darunter auch ÄrztInnen – Briefe der Staatsanwaltschaft, dass sie im Rahmen der TKÜ-Maßnahmen mit-abgehört wurden.

 

Bereits zwischen 2013 und 2016 hatten die Ermittler in einem sogenannten »Strukturermittlungsverfahren« gegen die alternative Szene in Leipzig u.a. auch Chemie-Fans und Mitglieder des Vereins der Bildung einer Kriminellen Vereinigung verdächtigt. Damals gerieten neben dem Sozialarbeiter der Fans auch mehrere RechtsanwältInnen, ÄrztInnen und neun JournalistInnen als BerufsgeheimnisträgerInnen in den Fokus von LKA und Staatsanwaltschaft. Bis heute sind die zweifelhaften, bisweilen sogar rechtswidrigen Überwachungen nicht aufgearbeitet worden. Von Fehlerkultur und kritischer Analyse keine Spur. Immerhin hatte man damals knapp 57.000 Telefonate und Nachrichten »erfasst« und feinsäuberlich protokolliert sowie kommentiert. Lapidar hieß es sinngemäß von der Staatsanwaltschaft, dass die Einstellung ein Beleg für das Funktionieren rechtsstaatlicher Institutionen in Sachsen sei.

 

»Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre wurde damit ein gigantischer Überwachungs- und Repressionsapparat in Bewegung gesetzt, mit dem ein riesiger Kreis von Personen aufgrund einer hanebüchenen Arbeitsthese aus Ermittlerkreisen bis aufs Kleinste durchleuchtet wurde«, konstatiert Fabian Grundmann, Sprecher des Rechtshilfekollektivs Chemie Leipzig e.V.

 

Neben den ehemals beschuldigten Personen, deren Verwandten, FreundInnen, KollegInnen oder GeschäftspartnerInnen richteten sich die Verfahren auch gegen verschiedenste Leipziger Institutionen: gegen zivilgesellschaftliche Vereine, Fußballclubs und deren Fanclubs, Kultur und Jugendzentren, Spätverkäufe, Kneipen oder Jugendhilfeeinrichtungen. Sie alle sollten Teil eines absurden Netzwerks sein, das ein eigenes »Subsystem« aufgebaut habe und »Stimmung gegen Sicherheitsbehörden« propagiere.

 

Dass diese Vorwürfe, die laut Grundmann »eher ins Reich der Aluhüte und Verschwörungstheorien gehören« allen Ernstes durch das Sächsische Ministerium für Justiz kolportiert und gedeckt werden, macht uns tief betroffen. Die Sächsischen Verhältnisse – deren anti-demokratischer, obrigkeitsstaatlicher und repressiver Charakter ja langsam in rückwärtsgewandte Gewohnheit umschlägt – haben ein neues, besonders widerliches Level erreicht. Stellvertretend für alle von den Ermittlungen betroffenen Personen fordern wir eine transparente und lückenlose Aufklärung über den Umfang und die Dimension der praktizierten Überwachungsmaßnahmen. Wir zumindest gehen davon aus, dass die Ermittler zum wiederholten Male ihre Kompetenzen weitreichend überschritten haben.

 

 

Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig e.V.

  1. Juli 2019

 

Wutbürger raus! Der NOFV als Beleg für die Antimoderne.

Wenn Ultras, Politik, Medien und selbst Teile des DFB mehr oder minder subtil die Abschaffung bzw. personelle Erneuerung des NOFV in seiner jetzigen Form fordern, dann muss schon ganz schön was schief laufen beim »Ostzonenverband«. Eine kurze Betrachtung vom Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig.

Die »Causa NOFV« scheint kein Ende zu nehmen. Aktuelle Highlights der angry old men geben sich die Klinke in die Hand. Ein medientechnisches Desaster war die vergangene Woche eiligst einberufene Pressenkonferenz am schönen und geschichtsträchtigen Rangsdorfer See, bei der man der Presse kurzerhand das Filmen und Aufnehmen auf Tonband verbot, um bloß keine gerichtsfesten Belege für das eigene Unvermögen zu liefern. Die anvisierte Intention des Pressegesprächs – größtmögliche Transparenz und Aufklärung zu schaffen – war quasi von einem Moment zum nächsten vollkommen futsch. Toppen kann das eigentlich nur die ad hoc eingerichtete »Stelle« des »Antirassismus-Beauftragten« beim NOFV: durch genau den Spielbeobachter, der beim skandalträchtigen Aufeinandertreffen vom SV Babelsberg und Energie Cottbus im April letzten Jahres mit besten Blick die Hitlergrüße, rassistischen Anfeindungen und antisemitischen Schmähgesänge übersah und überhörte und stattdessen das berühmt-berüchtigte »Nazischweine raus« einer Person »mit Punkerhaarschnitt« aus dem Heimblock monierte und letztlich prononciert in die Anklageschrift des hauseigenen Verbandsgerichts brachte.

Der Skandal kam nicht von ungefähr. Mittlerweile berichtet nicht nur die bundesweite, sondern auch die internationale Presse. Überregionale Politik und diverse Antirassismus-Initiativen sind ebenso empört wie jede Menge Fans und Vereine. Selbst die Washington Post ist auf die »Northeast German Soccer Federation« und den »Nazi pigs out«-Ruf aufmerksam geworden und fragt verwundert nach den komischen Prioritätensetzungen des Verbandes. Doch die schlittern von einer Krise in die nächste, machen am Punkt Krisenmanagement eigentlich alles falsch und sind nicht fähig oder willens, die gemachten Fehler – im Rahmen der selbst proklamierten Aufarbeitung und Fehlerkultur – zuzugeben und geradezurücken.

Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht möglich. Ein kulturgeschichtlicher Blick in die Entstehung und Genese des Ostzonenverbandes reicht aus, um zu sehen, dass hier eine krude Mischung aus DDR-Mentalität, Stasi-Expertise und obrigkeitsstaatlichem Denken auf den Konservatismus der Nachwendezeit getroffen ist und eine Art doppelt-reaktionäres Bewusstsein kreiert, ja regelrecht zementiert hat. Durchaus von Interesse wäre eine wissenschaftliche Untersuchung der einzelnen Vitae der Männer mit den weiß-grau-melierten Haaren: egal, ob sie nun Fuchs, Moldenhauer, Milkoreit oder Stumpf heißen. In keinem anderen Sportverband existiert bis heute eine so hohe Verflechtung von informeller Geheimdienstarbeit in der DDR mit einer quasi nicht-existierenden kritischen Aufarbeitung der eigenen Sport- und Verbandsgeschichte. Alte Phrasen, schlechte Herrenwitze und tradierte Lebensweisheiten treffen SED-Kaderdenken und bereitwilligen, christdemokratischen Opportunismus. Mehr Verbohrtheit, Engstirnigkeit und männerbündisches Denken auf engstem Raum ist kaum möglich. So etwas wie Meinungspluralismus oder das Konzept der Diversität sucht man beim NOFV vergeblich. Geradezu karikiert wird es, wenn man sich auf dessen Webseite die Elite der Präsidiumsmitglieder, wahlweise auch des Sicherheits-, Jugend- oder Spielausschusses ansieht. »Alte Männer« wohin das Auge reicht. Bei allem Bewusstsein um Altersdiskriminierung, warum um Gottes Willen sollen gerade diese Typen einschätzen dürfen, was heute »demokratisch legitim«, »moralisch verwerflich« oder strafrechtlich relevant ist? Eine durchaus berechtigte Frage, die neben den betroffenen Fußballfans und bestraften Vereinen vermehrt auch von anderen öffentlichen Institutionen gestellt wird.

Der Kontrollausschuss des DFB zumindest hat sich nun der eigenartigen »Rechtsprechung« des nordostdeutschen Ablegers angenommen. So gar nicht passt das aktuelle, rückwärtsgewandte Agieren des eigenen Provinz-Unterverbandes in das staatsmännische Denken von Grindel, Große-Lefert und Co. Diametral steht es sogar an den Punkten entgegen, die der DFB seit kurzem wieder stark macht: politische »Haltung« in den Kurven, Antirassismus als Verbandsräson und Antidiskriminierung als Standard im Fußballzirkus. Auch für den, erst vor wenigen Wochen vom Bundestag installierten, Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung wäre der NOFV sicherlich ein gefundenes Fressen. Hier zumindest – beim Thema Judenfeindschaft – lassen sich beim NOFV gewisse kontinuierliche Strukturen festmachen. Elemente, die sich am ehesten mit den Begriffen Ignoranz, Unkenntnis, Verdrängung und Verharmlosung beschreiben lassen: klassische Begrifflichkeiten der Antisemitismusforschung, die dafür einst den Begriff des »sekundären Antisemitismus« ins Spiel brachte, um zu erklären, wie sich Abwehrmechanismen gegen Juden modernisiert und weiterentwickelt haben.

Während also – wie neulich bei Chemie – das Ausleeren eines Bierbechers auf dem Spielfeld und das Abbrennen von Pyro mit einem, letztendlich vermutlich, mittleren fünfstelligen Betrag inklusive möglichem Teilausschluss geahndet wird, ist das Rufen antisemitischer Parolen in den Augen der Richter des NOFV, seiner Spielbeobachter und seines Präsidiums scheinbar legitim. Den Skandal vom Babelsberg vs. Cottbus-Spiel vor Augen, bei dem das Nazi-Pack in der Urteilsbegründung gekonnt ignoriert wurde, entschied sich das Sportgericht wiederholt gegen das Ahnden der antisemitischen Entgleisungen, die auch beim Leipziger Derby im Herbst im Stadion stattfanden. Die »Türken, Zigeuner und Juden«-Rufe waren selbst in der MDR-Live-Übertragung deutlich zu hören. Die Ignoranz des Verbandes hat also durchaus Kalkül.

Der NOFV unterscheidet sich beim Thema nicht einmal marginal von der kleinen sächsischen Schwester, dem SFV. Dessen Präsident Hermann Winkler, immerhin auch NOFV-Präsidiumsmitglied, schmiss neulich eine Journalistin des Deutschlandfunks aus seinen Räumlichkeiten, als diese ihn nach der Präventionsarbeit in Sachen Antisemitismus in sächsischen Stadien befragte. Judenfeindlichkeit? »Haben wir hier bei uns nicht«, so lautet der sinngemäße und gängige Abwehrreflex der Funktionäre. Ob hier die vom Landessportbund und der Bundeszentrale für politische Bildung angebotene »Weiterbildung gegen antisemitische Stereotype« weiterhilft oder am Ende der von Woody Allen favorisierte Baseballschläger, müssen die Leser selbst entscheiden. »Irgendwann ist ja auch gut mit der Präventionsarbeit«.

Als Rechtshilfekollektiv unterstützen wir die BSG Chemie und Babelsberg 03 in ihren Berufungen und zivilrechtlichen Anstrengungen gegen die absurden Urteile und vor allem in der Kritik an den ideologisch verkrusteten Verbandsstrukturen. Die Sportgerichte als selbstgerechte Instanzen, die jenseits jeder Verhältnismäßigkeit, vor allem aber gegen wichtige partizipatorische Errungenschaften und Grundrechte agieren, gehören in ihrer jetzigen Form abgeschafft. Und wenn unter dem Label der »Verbandsautonomie« neben einem antidemokratisch-absurden Rechtsverständnis auch noch der Antisemitismus beständig relativiert wird, dann darf der Verband mitsamt seinen Personalien auch als solches in Frage gestellt werden.IMG_3145

Einer geht noch…!

Was war denn da wieder los?

In unnachahmlicher Dreistigkeit hat der Bundestag mal ebenso den massiven Abbau von Grundrechten beschlossen und im gleichen Atemzug wird über die Zunahme staatlicher Überwachung entschieden, als ob man in der Kantine darüber entscheidet, den Nachschlag zu nehmen oder halt nicht.

Ein nicht ganz so drastisches Gesetzgebungsverfahren wird einfach um einen Zusatz ergänzt und schon freut man sich, dass in Zukunft Messenger-Programme auf Smartphones möglicher “Gefährder der öffentlichen Ordnung” von jeder Dorf-Polizeidienststelle aus ausgespäht werden dürfen. So weit, so normal in der Bundesrepublik. Doch neben Online-Durchsuchungen und dem sogenannten Staatstrojaner, gibt es noch eine andere spürbare Veränderung. Diese betrifft Zeugen, die im Zuge polizeilicher Ermittlungen Vorladungen bekommen bzw. Aussagen zu bestimmten Sachverhalten machen sollen.

Wie jeder wissen sollte, war es bisher so, dass man keinerlei Verpflichtung hatte, mit der Polizei zu reden. Wollten die Beamten palavern, so konnte man getrost weghören und weiter seiner Wege gehen. Flatterte das Schreiben mit der schriftlichen polizeilichen Vorladung herein, so konnte diese entweder in die Sammlung eingeheftet werden oder direkt in die Weiterverwertung übergehen. Wer nicht wollte, der musste nicht. Der Polizei standen keine Mittel zur Wahl, mit denen nicht aussagebereite Zeugen zu Angaben gezwungen werden konnten.

Die Zeiten sind nun, wenn auch mit kleinen Einschränkungen, vorbei! Die neue Vorschrift liest sich wie folgt:

Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.

Interessant wird sein, wie genau dieser staatsanwaltliche Auftrag aussehen muss. Wie nicht anders zu erwarten, bleibt die Gesetzeslage hier äußerst vage. So kann es durchaus schon reichen, dass der Staatsanwalt/die Staatsanwältin der örtlichen Dienststelle der Polizei einen pauschalen “Auftrag” gibt, in all seinen/ihren Verfahren die Zeugen/Zeuginnen einzuladen und in Eigenregie zu vernehmen.
Des Weiteren hielt man es nicht für nötig, die schriftliche Ladung oder gar eine definierte Ladungsfrist explizit einzuführen. So können wir uns womöglich in Zukunft darauf einstellen, dass die Polizei bei Ermittlungen (bspw. im Zuge einer An- oder Abreise zu einem Auswärtsspiel) an Ort und Stelle ein “Ladung” ausspricht und versucht, den oder die ja glücklicherweise gerade anwesenden Zeugen/Zeuginnen zur Aussage zu bewegen. Dass man in so einem Fall selbstverständlich keine Chance hat, von seinem Zeugenrecht auf anwaltlichen Beistand Gebrauch zu machen, wird dabei sicherlich lediglich schmunzelnd zur Kenntnis genommen.

Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Präzedenzfälle geschaffen werden. Bleiben wir gespannt.